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Kajaktour im heißen Sommer 2019 rund um Wilhelmsburg

Im Juli habe ich eine freie Woche und plane am voraussichtlich heißesten Tag des Jahres eine Tour mit dem Kajak rund um Wilhelmsburg. Diese Tour habe ich schon ein paar mal gemacht.

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Die Planung

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Rund um Wilhelmsburg

Wilhelmsburg ist die Insel zwischen der Norder- und der Süderelbe in Hamburg. Die Elbe teilt sich etwa bei Kilometer 609 und fließt bei Kilometer 625 wieder zusammen. Der Rundkurs hat etwa 33 Kilometer Länge. Bei 4 kn (entspricht 7 km/h) kalkuliere ich dafür 6 bis 7 Stunden.

Die Unterelbe ist der Tide-beeinflusste Teil des Flusses von Geesthacht bis zur Mündung in die Nordsee. Bei Flut läuft eine Welle von der Mündung bis zum Sperrwerk Geesthacht, die die Strömung des Wassers umkehrt und die Elbe aufstaut. Die Tide bewirkt eine durchschnittliche Änderung des Wasserstandes von 3 Meter. Dieser Tidenhub ist über die Länge der Unterelbe etwa gleich. Es ist also nicht so, dass er hin zur Mündung bedeutend höher würde.

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Einsetzstelle Bunthausspitze bei Bullenhausen

Bei der Planung einer Tour auf der Unterelbe muss ich den Tidenkalender zu Rate ziehen. Für den gewählten Tag meldet das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Niedrigwasser um 17:30 bei St. Pauli. Am Zusammenlauf von Süderelbe und Norderelbe, der in der Nähe von St. Pauli bei Waltershof liegt, kommt um diese Zeit die Strömung zum Stillstand. Um den Strom zu nutzen, plane ich 3 Stunden früher, also gegen 14:00, an der Bunthausspitze das Kajak einzusetzen. Dann könnte ich mit dem Ebbstrom bis Waltershof fahren, zu Kenterpunkt umkehren und mit dem auflaufenden Wasser wieder nach Bunthaus zurückfahren, das ich gegen 20:30 erreichen würde. Dabei entschließe ich mich den langweiligsten Teil der Strecke - die Norderelbe zwischen Bunthaus und Abzweig Dovelbe bei der A1-Brücke - zuerst zu fahren. So der Plan.

Norderelbe, Bunthausspitze bis zur A1-Brücke

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Bunthausspitze - hier teilt sich die Elbe

Ich bin bereits gegen 13:00 in Bullenhausen, wo ich parken kann und auf GoogleMaps eine Einsetzmöglichkeit gefunden habe. Die wichtigste Ausrüstung ist heute nach Spritzdecke und Schwimmweste, meine Mütze und viel zu trinken, denn es droht wirklich heiß zu werden. 35°C oder so.

Um 13:15 fahre ich los, quere den Strom wie ein Dwarsläufer und runde die Bunthausspitze. An der Elbteilung ist die Strömung kräftig und ich muss mich ins Zeug legen.

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Blick von der Bunthausspitze in die Norderelbe

Hinter der Spitze geht es in die Norderelbe. Das Ufer flitzt vorbei, ohne dass ich viel paddeln muss, denn der Ebbstrom ist kräftig. Die Ufer sind mit Schlackesteinen befestigt, darüber ragt meterhoher Schilf voller Vögel. Pflanzen blühen in gelb und violett. Gelegentlich steht ein Reiher am Ufer. Am Himmel kreisen Störche in der Thermik des heißen Tages. Letztes Jahr habe ich am Heuckenlock sogar einen Seeadler gesehen. Das Heuckenlock ist ein echter Auenwald, der manchmal komplett überflutet wird. Es ist ein Geheimtipp.

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Bunt bewachsenes Ufer mit typischer Schlackensteinböschung

Ich liebe den Duft der Elbe. Meine erste Erinnerung an die Elbe stammt von einem Schulausflug in ein Landschulheim mit Elbstrand hier in der Gegend. Ich erinnere mich an den Sommer, das Rauschen der Pappeln, den Strand und die duftende Bohnensuppe. Man ahnt heute noch, das Paradies, das die Elbe noch zur Gründung der Stadt Hamburg um 800 gewesen sein muss. Strände, Sandbänke mit Robben, tausende von Inseln und Nebenarme, Massen von Vögeln zu denen in warmen Zeiten auch Pelikane und Flamingos gehörten.

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Kilometer 610

Aber es gab sicher auch Sümpfe, Stechmückenwolken und die Malaria. Nun, heute ist die Elbe ein Nutzgewässer und Teil unserer Kulturlandschaft. Habe vor Kurzem das Buch "Die Gleichung des Lebens" von Norman Ohlers gelesen. Es handelt von der Oder um 1745, aber die Beschreibungen passen ähnlich für Elbe, Weser und Weichsel.

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Beim Queren unbedingt auf Schiffe achten

Bei Kilometer 609 passieren zwei Binnenschiffe. Natürlich muss ich vorausschauend dem Berufsverkehr ausweichen. Die langen weichen Wellen, die die Schiffe erzeugen, wiegen mich. Ist man dicht genug und das Schiff ist schnell, kann man auf der Heckwelle surfen. Heute gelingt mir das nicht.

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Brücke der A1. Dahinter beginnt der Hamburger Hafen

Die Elbe schlängelt sich in langen Kurven, wobei die Strömung am stärksten immer im Äusseren der Kurve ist. Dort ist sie auch am tiefsten und die Schiffe folgen der sich ergebenden Linie. Gelegentlich passieren Sportboote. Wie erwähnt ist dieser Teil der Elbe etwas langweilig, etwa bis zur Mündung der Dove-Elbe.

Bei Kilometer 615 führt die Autobahnbrücke der A1 über die Elbe. Die Pylone der Brücke sind höher als die Stahlseile - das ist statisch nicht erforderlich. Ich beachte die Durchfahrt-Schilder

Norderelbe, Kleine Werften, HafenCity und Landungsbrücken

Für die Fahrt durch den Hafen, ziehe ich die Spritzdecke über. Da es im Hafen schnelle, schwere Schiffe einerseits und viele Stahlwände andererseits gibt, sind die Wellen nicht zu verachten. Es bilden sich stehende Wellen und Kreuzseen, die sicheren Sitz, Wasserfestigkeit und Spurtfähigkeit erfordern.

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Beginn des Hafens, die ersten Industrieanlagen

Auf der Fahrt wechsle ich die Seite je nach Sehenswürdigkeiten und Sicherheit. Die Brücken passiere ich nach der Beschilderung. Im starken Strom der Ebbe wird man auf Brückenpfeiler, Pontons und Dalben getrieben, sodass man aufpassen muss, diese zu umfahren. Es hilft, wenn man den "Rückwärtsgang" im Kajak übt. Dabei muss das Heck in die richtige Richtung zeigen.

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Kleine Werften und marine Dienstleister folgen

Hinter der A1-Brücke kommen auf der linken Seite Industrieanlagen und dahinter einige kleine Werften und Schiffsdienstleister. Davor liegen Pontons, Schuten und Schiffe festgemacht im Strom. Sie in der Strömung zu umfahren verlangt etwas Übung. Ich will eine Schute flussseitig passieren, da schießt dicht vor mir ein Binnenschiff vorüber. Um nicht in die Kreuzseen zwischen Bugwelle und Reflexion zu geraten, muss ich zurücksetzen. Gleichzeitig werde ich auf die Schute gedrückt. Das Manöver gelingt, aber es zeigt, dass der Hafen fortgeschrittene Kajakfähigkeiten benötigt.

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Ein Binnenschiffe auf der Helling

Die kleinen Betriebe sind schön rummelig, unordentlich und überwuchert, je nach Betrieb. Eine Abwrackwerft zerlegt gerade das Binnenschiff "Vaterland". Vereinzelt haben sich Leute in hippen Wohnungen eingerichtet. Dieser Abschnitt gehört zu den schönsten der ganzen Strecke wegen seiner Industrieromantik. Gegenüber von Entenwerder kommt das erste Hafenbecken und dann passiere ich die Norderelbbrücken.

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HafenCity (in Yuppi-CamelCase)

Zwischen den Brücken gibt es am Südufer einen schönen zugewucherten Strandabschnitt. Diesmal passiere
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Herrliche Ecke
ich die Brücken jedoch mittig und fahre an der Dalbenreihe in der Mitte an der neuen Hafencity vorbei, wo ein Wald von Kränen günstigen Wohnraum für sozial bedürftige schafft. Hahaha - das war ein Scherz. Es entstehen hier Yuppi-Lounges für FDP-Wähler, die eine Geldanlage mit Elbblick benötigen. Doch noch steht dort ein Asylbewerber-Dorf. Die Menschen darin sind sich der tollen Immobilienlage nicht bewusst.

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Elbphilharmonie in Sicht
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Riesiges Bauwerk

Jetzt folgt die Elbphilharmonie. Sie wirkt von hier sehr groß und hoch. Die Menschen auf der Besucherterasse wirken von hier winzig. Vielleicht nehmen sie das rote Kajak in der Tiefe gar nicht wahr. Oder sie beneiden mich um die großartige Perspektive. Die Spundwand der Elfie weist ein großes Loch auf. Hier muss ein Schiff das Bauwerk gerammt haben. Wenn ich durch das Loch spähe, sehe ich Musiker, die im Keller üben. Sie haben Gummistiefel an, wegen des Elbwassers, das hereinschwappt. Spass!!

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Touristenecke
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Cap San Diego
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Rickmer Rickmers
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Russisches Museums-UBoot

Hübsch ist der folgende Teil vor den Landungsbrücken mit den Hamburger Museumsschiffen "Cap San Diego", "Rickmer Rickmers" und einem Feuerschiff. Die Landungsbrücken muss der Kanute hinter den Pontons passieren.

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Burda-Haus mit Schlafstrand

Ich fahre an den Hafenbarkassen vorbei. "Haaafenrundfahrt! Letzte Gelegenheit! Mit Speicherstadt!" rufen die Ausschreier ohne zu ermüden. Ich setze meine eigene Hafenrundfahrt fort und passiere das russische UBoot. Man kann vom Wasser aus die Gummihülle des Bootes fühlen. Sie diente vermutlich der Schalldämmung. Grobe russische Technik - einfach Toll! Das UBoot liegt fast trocken.

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Fischmarkt

Nach den Landungsbrücken bei Kilometer 624 folgt die Fischmarkthalle und einige moderne Bürobauten in bester Lage. In einem Winkel des Burda-Hauses ist ein Stück Strand, an dem ich anlege. Von der Landseite kommt man kaum hier heran. Ich bin etwas zu früh dran. Es ist erst 16:00 und der Kenterpunkt ist um 17:30. So lege ich mich in den Schatten auf den nassen Sand, schieße ein paar Fotos mit der Spiegelreflexkamera und schlafe ein Stündchen.

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Szenenwechsel: Köhlbrand

Süderelbe, Köhlbrand bis zu den Süderelbbrücken

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Blick zurück zu den Landungsbrücken

Nun steht die Elbe und ich quere sie zum Köhlbrandshöft. Es beginnt der "große" Hafen mit seinen riesigen Containerterminals, Chemieanlagen, und Umschlagsanlagen für Massengut wie Getreide, Öl, Kohle und Erzen.

Jetzt wird der Gegensatz spürbar, zwischen dem bunten und kleinteiligen Gerummel an den Landungsbrücken, der wimmeligen, überwucherten Werftenszene auf der Veddel einerseits und den industriellen Großanlagen von Toller Ort, Waltershof und Altenwerder.

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Köhlbrand-Brücke für Seeschiffe, daneben die Ölmühle

Auf der Norderelbe ist noch ein wenig der alten Hafenromantik zu spüren, deren Klischees vom Tourismusbetrieb aufrechterhalten werden mit den Museumsschiffen, den Landungsbrücken, den eiligen Hafenbarkassen, Menschenmassen, Speicherstadt, Fischhalle und sogar der Hafenstraße.

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Ölmühle, Getreide-Bulker

Die Dockanlagen von Blohm&Voss gehören noch zum alten Hafenbild, auch wenn sie heute nervige Werbesprüche tragen statt klarer, nützlicher Aussagen wie "Dock 10" und "Dock 11". Da ich die Wilhelmsburger Insel heute dieses Mal gegen den Uhrzeigersinn umrunde, sehe ich die Dockanlagen nur vom weiten. Ich kann euch aber sagen, dass es ein Höhepunkt des Kajaktourismus ist, die Docks aus der Nähe zu passieren, hineinzuspähen und sie im Strom auszumanövrieren. Da man dafür die Norderelbe an ihrer schwierigsten Stelle queren muss, ist das sicher von der Wasserschutzpolizei nicht gern gesehen und ich rate es niemandem, der nicht umsichtig und schnell ist.

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Von links nach rechts: Rethe, Radar, Altenwerder-Terminal, Hansaport Massengut

Hier werde ich ganz klein und muss auf den Schiffsverkehr achten, was aber nicht schwer ist, da man die Schiffe vom weiten sieht und mein Kajak flink ist. Der Unterlauf des Köhlbrands ist etwas langweilig. Es gibt aber ein paar verträumte Ecken, die nur Angler kennen und nutzen. Ich muss jetzt stärker durchziehen um voranzukommen, da das Wasser nur langsam aufläuft. Zur linken sind die aluminiumfarbenen "Ostereier" der Kläranlage zu sehen. Sie sind eiförmig, nicht um das fortrollen zu verhindern, sondern weil es festigkeitsmässig günstiger ist als eine Kugelform, nehme ich an.

Ich passiere die hochgeschwungene Köhlbrandbrücke mit der Seemannschule links davor. Auf der Westseite folgt die Containerfläche von Waltershof, der Erzumschlag im Sandauhafen, das gigantische Containerterminal von Altenwerder und das neue Kohlekraftwerk Moorburg. Hier manifestiert sich die Wirtschaftskraft des Hafens, ich spüre die Lebensader Nordeuropa und löse mich als Individuum auf. Da wirken die Angler, die hier und da an der hohen Schlackensteinböschung stehen irgendwie als Gegensatz. So trotzt der Mensch dem großen industriellen Treiben ein wenig Freizeit ab.

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Kattwykbrücke, davor die neue Bahn-Brücke, rechts das Kraftwerk Moorburg

Die Gerüche erinnern nicht mehr an die Elbe - es riecht nach Klärwerk, Schweröl, Industrie und Ölmühle. Hinter der Köhlbrandbrücke liegt die Ölmühle, die vor vielen Jahren explodiert war. Jetzt ist sie betriebsam wie eh und je. Ein Bulker wird gerade befüllt.

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Kohlenpier fürs Kraftwerk Moorburg

Ich halte mich von ein paar Schleppern frei, die von der Schlepperbasis der Norderelbe in den Neuhöfer Kanal rauschen. Sie werden bestimmt irgendeinen Chemikalientanker herausgeleiten. Im weichen Abendlicht verschönern die großen Pappelreihen am Ostufer des Köhlbrands die Szene und deuten einen Rest Natur an. An den großen Fahrwassertonnen erkenne ich, dass der Flutstrom mir inzwischen beim Vorankommen hilft. Die neue Bahn-Hubbrücke ist noch nicht im Betrieb. Das Mittelteil fehlt. Sie soll zur Entlastung der Kattwykbrücke dienen, die für den Straßenverkehr jeweils bei Schiffs- und bei Eisenbahn- betrieb gesperrt wird. Früher standen wir manchmal auf der Brücke, um das Gerumpel eines langen Zuges beim Befahren der Brücke zu erleben.

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Das Wrack beim Kraftwerk

Ich erinnere mich noch, als ein Schiff den östlichen Teil der Kattwykbrücke gerammt und zerstört hatte. Damals lebte ich in Hamburg. Irgendwann hackte einmal ein Schwimmkran ein Loch in den Unterkasten der Köhlbrandbrücke. Das ist beachtlich, wenn man die Höhe hier vom Kajak aus betrachtet.

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Ein alter Dampfer

Doch weiter auf der großen Industrie-Elbe. Nach dem Erz- und Kohlehafen Hansaport folgt das gigantische Container-Terminal Altenwerder, das ich auf der gegenüberliegenden Seite passiere. Zum Kohlepier der Kraftwerks Moorburg quere ich die Elbe wieder. Jetzt folgt ewas besonderes: das Wrack eines alten Dampfers, das jetzt bei Niedrigwasser schön zu sehen ist. Es ist dschungelartig überwuchert und man kann die Dampfmaschine und den Kessel im Inneren sehen.

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Ein Blick ins Innere

Es folgen die 4 Hafenbecken des Harburger Hafens, die noch von Seeschiffen angelaufen werden können. Es gibt hier viel ölverarbeitendes Gewerbe. Ich passiere die Schleuse des Harburger Binnenhafens mit der großen Station der Wasserschutzpolizei. Vor vielen Jahren habe ich hier im Harburger Hafen in der Meerestechnik gearbeitet.

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Harburger Hafen im Abendlicht

Hinter der alten und der neuen Süderelbbrücke beginnt ein naturnaher Teil der Elbe mit einem Badestrand, Halbinseln, und einem richtigen Auenwald. Das Heuckenlock ist Geheimtipp. Hier führt ein Spazierweg durch einen einzigartigen Wald, der den Gezeiten unterliegt. Bei hohem Hochwasser kann er überschwemmt werden. Hier gibt es besondere Pflanzen wie den Pestwurz und die Schachbrettblume. Und es gibt schlammige Prile mit hohem Schilf die die Herrlichkeit dieser Landschaft vor 1000 Jahren erahnen lassen.

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Süderelbbrücken

Für mich ist es schon spät und ich freue mich auf Ruhe und Schlaf. Gegen 19:45 lege ich in Bullenhausen an.