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Eine Reise in die schwedischen Schären 2016

Ankunft Magnify
Ankunft irgendwo in der Wildnis

Im Sommer 2016 unternahm ich mit meinem Sohn Anton eine Reise in die schwedischen Schären nach St. Anna und Gryt, beides südlich von Stockholm. Wir hielten uns mit dem Kajak zwei Wochen in der Wildnis auf und lebten auf den Inseln im Zelt.

Vor 15 Jahren war ich mit der Familie und Freunden schon einmal in diesem Schärengebiet, Anton war noch ein Baby. Damals hatte ich mit meinem Freund eine Tagestour mit dem Kajak gemacht, deren Eindrücke mich nie losgelassen hatten. Bisher hielt mich das Brutgeschäft von einem neuen Besuch ab. Doch im Sommer 2016 war es so weit...

Das Gebiet ist bei Kanutouristen und anderen Wassersportlern beliebt, aber es ist kein Massentourismus und es ist Platz und Einsamkeit für alle da. Im Juli ist Hochsaison. Wir waren Ende Juli bis Anfang August unterwegs, wo es ruhiger wurde und die Vogelschutzzeiträume für fast alle Inseln endeten.

Ausrüstung

Ausrüstung
Kompaktkamera, ActionCam mit Fernauslöser, Powerbank, Kompass, Fernglas

2 Seekajaks Prijon Seayak, 1 kleines 2-Mann-Zelt, Benzinkocher, Verpflegung für 1 Woche, Fernglas, Vogelbuch, Kompass, laminierte Karten, Notizbuch, Leinen und Reparaturmaterial

Eine starke Sonnenschutzcreme (LF 30) ist wichtig und Mückenschutz (Autan) nützlich. Eine Mütze verhindert Hirnüberhitzung. Alles schon erlebt.

Bis auf wenige Fotos, deren Herkunft extra gekennzeichnet ist, habe ich fast alle mit einer einfachen Samsung-Kompaktkamera gemacht, die schlechter ist als jedes bessere Handy. Ein paar Bilder sind mit dem Handy gemacht. Mit jpgIlluminator habe ich die Bilder heftig aufgearbeitet, dass sie für diesen Bericht brauchbar wurden.

Panorama

Die Schären südlich Stockholms

Schären sind kleine Inseln, die an den Küsten Skandinaviens liegen. Die größeren sind bewaldet und können bewohnt sein, die kleinsten sind nur nackte Vogelfelsen, die aus dem Meer ragen.

Geologie

Granit
Gneis

Die skandinavische Halbinsel Fennoskandia ist ein Gebirge, dessen Gestein sich vor 1,9 Milliarden Jahren gebildet hat, also zu einer Zeit, zu der es noch kein höheres Leben auf unserem Planeten gab. Das Gestein besteht hauptsächlich aus Granit und Gneis. Granit ist ein grobkörnig kristallines Plutonit ohne Struktur, während Gneis durch Umformung unter hohem Druck und hoher Temperatur aus vorhandenem Gestein entsteht. Man erkennt Gneis an seiner streifigen Struktur.

An unseren norddeutschen Stränden liegen massenhaft zerkrümelte Teile Skandinaviens herum, die die Gletscher vor 10000 Jahren zurückgelassen haben, nachdem sie sie aus Skandinavien haben mitgehen lassen. Neben Granit und Gneis findet man auch Diabas, Porphyr und andere. Darüber hinaus findet man an unseren Steinstränden auch Gestein, das in den Schären nicht zu finden ist, weil es aus Sedimenten entstanden ist, z.B. Kalkstein.

Wir leben in einer Warmzeit innerhalb eines Eiszeitalters. Eingebettet in Jahrhundertausende währenden Kaltzeiten haben wir derzeit eine einige Jahrzehntausende dauernden Warmzeit. Während einer Kaltzeit ist Fennoskandia von Gletschern bedeckt, die tausende von Metern mächtig sind und deren Dynamik den Fels erodiert.

Rundgeschliffener Fels Magnify
Rundgeschliffener Fels in Luv
Schroffer Fels Magnify
Schroffer Fels in Lee
Geröll Magnify
Geröll

Es gibt mehrere Mechanismen nach denen Gletscher den Fels formen. Gletscher sammeln durch Schneefall im Nährgebiet so große gefrorene Wassermassen an, dass diese sich zu Eis verdichten, welches schließlich unter gewaltigem Druck plastisch wird und zu fließen beginnt. Dabei nimmt es Geröll als Schleifmaterial mit und schleift den harten Gneis zu runden Formen um. Ein anderer Mechanismus ist die Wirkung der Schmelzwasserströme, die erodiertes Gestein als Schleifmittel mit sich tragen.

Oft erkennt man auf einer Seite der Insel rundgeschliffene Felsen, die sich als Anlegestelle für das Kanu eignen. Auf der anderen Seite findet man dann schroffe Felsen. Ich vermute eine solche Insel bot dem Gletscher eine "Luv"- und eine "Lee"-seite, wobei auf der Luvseite der flache Anschliff entstand.

Schäre durch Gletscher
Schäre vom Gletscher asymetrisch geformt

Man kann sich die Schärenküste als unregelmäßiges Hügelland vorstellen, dessen Gipfel aus dem Wasser ragen. Zwischen den Hügeln liegt das Geröll, das die Erosion zurückließ. Nach dem Verschwinden der Last des Eises, das mit seiner Mächtigkeit einen gewaltigen Druck auf den Untergrund ausübte, hebt sich das Land bis heute mit einigen Millimetern pro Jahr.

Neigung der Schären
Geneigtes Hügelland der Schären

Eine Erfahrung besagt, dass man Wassertiefen allgemein an den sie umgebenden Insel- oder Küstenhöhen beurteilen kann. Sieht man einen See in einer niedrigen Hügellandschaft, wird der See ebenfalls flach sein. Norwegische Fjorde sind von 1000m hohen Bergen umgeben und die Fjorde sind oft ebenso tief. Diese Erfahrung passt auch auf die schwedischen Schären von St. Anna und Gryt - die Inseln haben Höhen von etwa 0m bis 20m. Dementsprechend sind die Gewässer zwischen den Inseln ähnlich tief.

An den Küsten neigt sich das Hügelland zum Meer, sodass die Inseln immer kleiner und niedriger werden, während die Wasserflächen immer größer und tiefer werden.

Die Geografie der Schären hat ein selbstähnliches Bild. Beispielsweise hat eine große Insel wie Fangö ein paar kleinere Nachbarn, die eng bei ihr liegen. Manche dieser kleineren Inseln haben wiederum noch kleinere Inseln als Nachbarn. Man könnte die Topologie im mathematischen Sinne als chaotisch bezeichnen. Diese Unregelmäßigkeit macht die Gewässer wegen ihrer unvorhersehbaren Untiefen gefährlich und erfordert genaue Kenntnis der Navigation.

Heute erodieren Hitze und Frost die Felsen. Wenn Wasser gefriert dehnt es sich aus und kann den Fels sprengen. Im Hochsommer wird die Felsoberfläche erhitzt. Feuer bewirken eine lokale Erhitzung, die das Gestein sprengt, darum ist Feuer auf den Felsen nicht zulässig. Letztlich wird auch die Landhebung Spannungen im Fels aufbauen, die sich durch Brüche abbauen.

Landschaft

Wasser

Loten
Loten der Wassertiefe an einer Klippe

Das Wasser im Schärengebiet der Ostsee ist Brackwasser, d.h. es ist eine Mischung aus Salz- und Süßwasser. Anfang August hat es durchschnittlich 15°C. Es ist halbwegs klar mit einer Sichtweite von 2m bei den äußeren Schären. Es sind kein Gezeiten spürbar. Nach einer Zeit stärkerer Winde vom Meer kühlte sich das Wasser um 2°C ab.

Wenn die Sonne brannte, kühlte ich mich oft durch einen Sprung von einer Klippe ins Wasser ab. Die Sichtweite im Wasser reichte gerade zur Beurteilung der geeigneten Wassertiefe. Im Zweifelsfalle warf ich meinen kleinen Anker als Lot.

Landschaftsformen

Es sind mir auf den äußeren Schären einige charakteristische Biotope begegnet, die ich hier vorstellen möchte. Der Untergrund ist grundsätzlich felsig und es gibt Humusschichten im Inneren mancher Inseln. Viele Standorte sind geprägt vom Mangel an Süßwasser.

Ufer

Algen und Tang Magnify
Ufernahe Algen und Tang

Alle Ufer sind in den ersten 10 bis 20cm Wassertiefe von rutschigen grünen Algen bewachsen. Dann folgt stets ein Gürtel mit grün-braunem Blasentang. Der Blasentang reicht wie andere Algen der tieferen Lagen bis an die Oberfläche. Vielfach ragen winzige Blüten über die Wasserobefläche, die man beim Schwimmen sehen kann. Ich denke, der Grund vor den Küsten ist vielfach von Geröll bedeckt, der Pflanzen und Fischen Halt bzw. Versteckmöglichkeiten bietet.

Wer gerne schwimmt, so wie ich, darf sich am Schwimmen durch Algen und Tang nicht stören. Oft ist es schwierig wieder ans Ufer zu klettern, da der Untergrund aus glitschigem Geröll besteht oder mit scharfen kleinen Miesmuscheln bewachsen ist.

Felsen

Flechten Magnify
Flechten

Die Felsen sind von Flechten bewachsen, die sich auf gewisse Zonen spezialisiert haben. Flechten sind eine Symbiose aus Pilz und Alge und werden zum Reich der Pilze gezählt, also nicht zu den Pflanzen. In einer Höhe von 1m bis 2m sind orangefarbene Flechten vorherrschend. Dort, wo die Gischt nicht mehr hinkommt, wachsen vielfältige Flechten in grün, grau und braun bis zu buschartigen Strauchflechten in den höchsten Lagen.

Sukkulente Magnify
Sukkulente

Bei Trockenheit sind die Flechten hart und zäh, nach einem Regen werden sie weich und glitschig, sodass wir beim Laufen vorsichtig sein mussten.

Überall wo Wurzeln Halt finden, wie in Felsspalten, wachsen Gräser. Auf den äußeren Schären, die an der offenen See liegen, bilden Flechten und Gräser den hauptsächlichen Bewuchs.

Ich entdeckte zwei Arten von Sukkulenten. Das sind Pflanzen, die wie Kakteen Wasser in ihren fleischigen Blättern speichern.

Felstümpel

Süßwassertümpel Magnify
Süßwassertümpel

Die Felsen haben Senken und Spalten in denen sich Regenwasser sammeln kann. Oft wimmeln sie von Lebewesen und sind von Gräsern, Binsen, Schilf und sogar Rohrkolben bewachsen, wenn sich etwas Humus bilden kann.

Die Felstümpel sind für die Vögel wichtig, da sie dort ihr Gefieder vom Salz reinigen können. Für uns ist das Wasser dieser Tümpel ungenießbar. Sie wimmeln von kleinen Krebsen, Schnecken, Käfern, Köcherfliegenlarve und Wasserläufern.

Geröllfelder

Geröllfelder Magnify
Wassernahes Geröllfeld
Blütenpflanzen Magnify
Blütenpflanzen

Man kann die Schären als Gipfel auffassen, zwischen denen Geröll als Produkt der Erosion liegt. Liegen zwei Gipfel beieinander, so ist der dazwischen befindliche Sattel oft mit Geröll gefüllt. Liegt ein Geröllfeld knapp über der Wasserlinie finden wir dort hohe Gräser, Blütenpflanzen und eine reiche Insektenwelt. Je weiter draußen die Schären liegen, also zum Meer hin, wo die Vegetation karg wird, nehmen weniger Bäume den Geröllflächen das Licht. Hier entwickeln sich bunte, wiesenartige Pflanzengemeinschaften.

Zu Fuß sind die Geröllwiesen unbequem, denn man muss auf Schritt und Tritt auf Steine, Pflanzen und Bewohner achten. So jagt hier die Ringelnatter, die sich auch gerne ins Wasser begibt und gut schwimmen kann.

Heide

Heide Magnify
Heide in höheren Lagen (ab 4m)

In den trockenen Lagen über dem Ufer, wo sich zwischen Geröll und in Felsspalten Humus bilden kann, breiten sich oft Heide und Zwergwachholder aus. Hier ist es heiß und Libellen stehen in der flimmernden Luft.

Gebüsch

Gebüsch Magnify
Undurchdringliches Eibengebüsch

Während die inneren Inseln oft bewaldet sind, reicht es auf den äußeren Inseln, dort wo die Verhältnisse rauh sind, nur für zähe Sträucher. Bäume benötigen festen Halt im Untergrund, den sie auf den äußeren Inseln nur in den geschützten Lagen des Inselinneren finden. Kiefern krallen sich auch oberflächlich an die Felsen.

Typische Gebüsche sind hier Wachholder, Kiefer, Vogelbeere, Schlehe und Hagebutte. Viele Büsche sind dicht und stachelig, sodass sie kaum passierbar sind.

Wald

Kieferwald Magnify
Kiefernwald
Urwald Magnify
Urwald im geschützten Inneren einer äußeren Schäre

Alle größeren Inseln sind bewaldet. Eine Insel ist für mich groß ab 400m Ausdehnung. Wegen der trockenen, felsigen Böden gibt es kaum tiefwurzelnde Laubbäume. In exponierten Lagen sieht man häufig umgestürzte Kiefern.

Wir sahen Kiefer, Birke, Erle und Eberesche (Vogelbeere). Die Kiefer erscheint auch als eng an den Boden geducktes Kriechgewächs, wie es für die Tundra typisch ist. In den Breiten der Schären entwickelt sie sich aber auch zu kräftigen und hohen Bäumen, die großen Vögeln wie Kolkrabe und Seeadler einen festen Ansitz bieten. Da Seeadler einen sehr großen Horst bauen, sind kräftige Bäume nötig.

Die Wälder der Schären werden seit langem kaum mehr bewirtschaftet, sind wegelos und haben einen ursprünglichen Charakter. Im Inneren einer Schäre mit ca 0.5 km² Fläche fand ich eine erstaunlich abwechslungsreiche Landschaft vor, die in einem geschützten Tal einen richtigen Urwald hatte. Dort lebt sogar eine Gruppe von Rehen. Zumindest habe ich einen Rehbock gesehen, der sich in einer Bucht auf einem großen Felsrücken präsentierte.

Blaubeeren Magnify
Seltene Stelle mit Blaubeeren

Während man auf dem Festland überall in Schweden Blaubeeren und Preiselbeeren finden kann, sind solche Orte auf den äußeren Schären nicht so häufig. Auf der besagten Insel fand ich jedoch eine ergiebige Stelle.

Tierwelt

Vögel

Limikolen Magnify
Limikolen: Alpenstrandläufer und Knutt
Schwäne Magnify
Schwäne im Morgenlicht

Die Schären sind reich an Vögeln aller Art und besonders natürlich Wasservögeln. Wir sahen Seeschwalbe, Austernfischer, Strandläufer, Mittelsäger, Kormoran, Kolkrabe, Nebelkrähe, Seeadler, Falke, Schwan.

Ein Erlebnis war die fast tägliche Sichtung des Seeadlers. Ein Pärchen hat hier sein Revier und wir sahen die Adler in unterschiedlichen Situationen. Oft saß ein Seeadler auf einem exponierten Felsen. Auf einer Kajaktour sahen wir ihn auf einem Felsen, wie er von seinem Partner besucht wurde und die Begrüßungsrufe zu hören waren. Ein anderes Mal schlichen wir um eine Landspitze in Erwartung irgendeiner Beobachtung - und tatsächlich: in 300m Entfernung saß der Seeadler auf einem vorgelagerten Fels und zerrupfte eine große Beute. Zwei Kolkraben saßen wenige Meter weiter und warteten auf die Reste. Als ich auf einer morgentlichen Wanderung durch das bewaldete Innere einer Schäre innehielt, hörte ich über mir die wuchtigen Flügelschläge des Adlers und sah ihn in geringer Höhe über dem Wald. Oft sahen wir bei Wanderungen auf den Schären die Skelette großer Fische, die von keinem geringerem als einem Adler dort hinterlassen worden sein können.

Es fiel mir auf, dass die Vögel bis auf die häufigen Seeschwalben, recht scheu sind. Gänsesäger mögen Ende Juli nervös sein, weil sie wegen der Mauser nicht fliegen können. Aber auch die Schwäne hielten großen Abstand. Bejagung?

Säugetiere

Iltis Magnify
Verendeter Iltis auf einem Uferfelsen

Wir sahen mehrfach kleine Marder, die an steinigen Ufern flink übers Geröll hoppelten. Ein Rehbock präsentierte sich hoch auf einem Felsen einer Schäre mit höchstens 0.5 km², als wolle er die Besitzansprüche behaupten. Wir sahen Spuren von Kaninchen, die hier an der Schärenküste ihre nördlichste Verbreitung haben.

Im Meer leben Schweinswale und Robben, die wir jedoch nicht zu Gesicht bekamen. Früher lebten die Schärenbewohner auch von der Robbenjagd.

Insekten

Die Vielfalt der Insekten war auffällig. Es gibt deutlich mehr Arten als bei uns in Norddeutschland. Bunte Fliegenarten, Wespen, verschiedene Libellen und Ameisenarten, Hummeln, Schmetterlinge, Käfer, Mücken und Bremsen. Die Mücken sind nur örtlich viele, allgemein waren sie kein Problem. Zuweilen gab es Bremsen, die allerdings leicht abzuklatschen sind, weil sie langsam sind und man ihren Stich spürt, bevor sie ein Sekret abgeben können.

Keine Insekten, aber auch stark vertretene Krabbeltiere sind die Spinnen, die Ende Juli/Anfang August alles zugesponnen hatten. Häufig sah auch winzige Zeckenlarven, die ich nur als dunkle Punkte sehe und die aus den Gräsern zu kommen schienen. Man sollte darauf achten sie schnell zu entfernen. Krabbeln sie auf den Füßen, einfach selbige ins Wasser tauchen - sie lassen sofort los, solange sie sich nicht festgesaugt haben. Ich hatte in den zwei Wochen viele Zecken, aber keine ist zum Biß gekommen.

Jede Insel schien ihre eigene Insektenwelt zu haben. Auf der einen gab es Fliegenschwärme, auf der nächsten Mücken, dann herrschten Spinnen oder Bremsen vor. Überall sind die meisten Arten vertreten, jedoch in unterschiedlichen Anteilen. Je windiger es wird, also je weiter draußen zum Meer, desto schwieriger die Flugbedingungen und spärlicher die Vegetation, desto weniger Insekten.

Panorama

Mit dem Kajak im Schärengarten

Die Schären sind ein Paradies für Kajakfahrer. Dank der Freiheit, die die Schweden den Menschen gewähren ist eine Naturnähe möglich, wie man sie in Deutschland nicht findet. Es gibt in den Schären ein paar einfache Regeln, die ihr hier erfahrt.

Naturschutz

An den Absetzpunkten St. Anna und Gryt gibt es Prospekte, auch in Deutsch, auf denen alles Wichtige steht. Sie enthalten auch Karten des jeweiligen Gebietes.

Bestimmte Inseln, vorwiegend im äußeren Bereich der Schären, sind zeitweilig für den Vogelschutz gesperrt, einschließlich eines Bereiches 100m um die Schäre. Bei manchen davon ist allerdings eine Küstenpassage zugelassen. Gesperrte Inseln sind durch weithin sichtbare Schilder bezeichnet. Sie bezeichnen die Sperrzeiten. Es gibt drei Arten dieser Schilder:

Schild1
Gesperrt vom 1.4. bis 15.7.
Schild2
Gesperrt vom 1.4. bis 31.7.
Schild3
Gesperrt vom 1.2. bis 15.8.

Die Inseln sind auch auf den Karten der Prospekte vermerkt, allerdings sind nicht die Karten verbindlich, sondern die Schilder. In der Praxis gibt es genügend freie Inseln zum Biwakieren, sodaß man die bezeichneten Inseln auch außerhalb der Sperrzeiten nicht unbedingt betreten muss.

Unabhängig von den Verboten ist das Stören der Tiere und das Zerstören von Pflanzen nicht zulässig. Das klingt erst mal platt, wird aber ganz konkret, wenn ihr beispielsweise eine Insel umwandert und den Seeadler beim Fressen stört. Schaut euch zunächst einmal vorsichtig um, und wartet ggf. eine Weile. Man begegnet auch vielen jungen Seeschwalben, die gefüttert werden wollen. Haltet dann Abstand zu den Felsen auf denen sie sitzen. Als wir im Hochsommer unterwegs waren, waren die Mittelsäger in der Mauser. Sie bekommen Streß, wenn man sich ihnen nähert und flüchten über das Wasser rennend. Ich habe mich bemüht solche Vogelgruppen zu meiden.

Es darf kein Müll liegen gelassen werden. Tipp: achtet darauf, dass die Verpackungen sich zusammenpressen lassen. Dosen und Pappbehälter lassen sich gut falten, nachdem man sie ausgewaschen hat. Wir stopften den gereinigten Müll ins Kajakheck. Er stinkt nach dem Waschen nicht mehr und nimmt kaum Platz weg. Müllsack überflüssig.

Ausrüstung

Falls ihr mal eine längere Kajaktour machen wollt, zähle ich hier einfach mal auf, was sich bewährt hat. Für mich ist die Kostenfrage wichtig. Im Allgemeinen brauche ich keine teure Austattung vom Outdoor-Laden. Die wird erst interessant bei Temperaturen unter 0°C, die ich im August höchstens auf einem norwegischen Fjäll erlebt habe. In der netten Schärenlandschaft kommen wir im Sommer mit der 08/15-Ausrüstung klar.

Wenn wir Schlafsack und Decken in einen wasserdichten 40L-Nylonseesack packen, den wir an Deck stauen, haben wir in den beiden Kammern der Boote ausreichend Platz für Gepäck, Proviant und Wasser. Ich spare an der Kleidung. Ein T-Shirt, eine Fleece-Jacke, eine kurze Hose, eine Regenjacke, eine Schirmmütze - das reicht vollkommen. Dafür haben wir Bücher, Fachmagazine, Schreibmaterial, Kameras und Handy mit Powerbank und das Fernglas mit Vogelbuch.

Boote

Meine beiden alten Seekajaks Prijon Seayak haben sich gut bewährt. Es sind robuste Plastikteile, mit denen man schön über die Felsen schrammen kann. Man kann sich gute Kajaks auch vor Ort mieten.

Es gibt auch Zweier-Kajaks, die aber wesentlich größer sein müssen, wenn man Gepäck für einen längeren Aufenthalt in der Wildnis plant. Sie sind dann entsprechend schwer und müssen vor dem Anlanden entladen werden. Für mich haben sie sich nicht bewährt. Da ich raue Verhältnisse mag, sind mir die agileren Einer-Kajaks lieber.

Seesack vorn
Maßnahme gegen Luvgier - Seesack nach vorn

Meine Kajaks haben keine Steueranlage. Das macht sie robuster und schneller. Die Seayaks sind bei starkem Wind luvgierig. Mit einer Steueranlage gegenanzusteuern, bremst erheblich. Andererseits ist ein ständiges einseitiges Steuern mit dem Paddel anstrengend. Hier helfen die folgenden Maßnahmen:

Anlanden Magnify
Kajaks immer ganz an Land ziehen

Man findet auf fast jeder Schäre gute Anlandemöglichkeiten, weil die meisten Schären irgendwo vom Gletscher flachgeschliffen wurden. Beim Ein- und Aussteigen hilft es, das Paddel hinter sich zu legen, sodass es das Kajak durch die Landauflage stabilisiert, wenn man sich darauf abstützt. Als erstes wird das Kajak stets ganz an Land gezogen. Bin ich allein unterwegs, binde ich das Paddel mit einer Sicherungsleine am Boot fest, damit es nicht so leicht verloren geht.

Camp

Camp Magnify
Unser kleines 2-Mannzelt

Unser Zuhause besteht aus einem kleinen 2-Mann-Zelt VAUDE Campo, aufblasbaren Luftmatratzen, Fleece-Decke, und Baumwoll-Schlafsäcken die wir nur als Decke benutzen. Schwimmwesten und Fleece-Jacken dienen als Kopfkissen.

Selten kann man Zeltnägel verwenden, da der Untergrund in 9 von 10 Fällen zu steinig ist oder gar nackter Fels. Hier sind Zeisinge ein tolles Hilfsmittel um Steine statt Heringen verwenden zu können. Zeisinge sind 20 oder 35cm lange, doppelte Gummistrammer mit Nylon-Haken, wie es sie günstig im Segel-Geschäft gibt.

Hier ein paar ultimative Tipps nach 40 Jahren Wildnis-Camping:

Planen und Zeisinge Magnify
Bewährt: Plane und Zeisinge

Verpflegung

Klar ist Essen eine Gewohnheitssache und Jeder weiß was für ihn gut ist. Das hier ist auch keine Empfehlung, sondern nur eine Aufzählung von Bewährtem. Ich plante für 2x 1Woche, also mit Zwischenstopp beim Mutterschiff - unserem Bus.

Das Wichtigste ist Wasser. Ich plante pro Tag 2l Wasser zusätzlich zu H-Milch und Fertigsuppe aus der Dose. 7x2l + 10l Reserve. Also nahmen wir 10x1.5l-Sprudel und einen 10l Reservekanister (flexibles Plastik mit Hahn aus dem Camping-Zubehör) mit.

Frühstück: Müsli oder Haferflocken mit Bananen und Nektarinen reingeschippelt und H-Milch. Anschließend Milchkaffee mit dem russischen Benzinkocher - meiner "Maschinka" - aus Nescafé mit H-Milch.

Mittag: Eine Dose Eintopf von Erasco für zwei Personen ausreichend. Zum Nachtisch Apfelmus oder Obst. Danach ev. Milchkaffee.

Abendbrot: Schwarzbrot mit Sonnenblumenkernen mit Butter und Hering in Tomatensauce aus der Dose. Nachtisch Apfelmus oder Obst, je nach Vorräten und Hunger, Pfeffermiztee.

Naschi: Geröstete Erdnüsse - haben Mörderkalorien

In Schweden scheint es keine H-Milch wie bei uns zu geben. Unbedingt aus der Heimat mitbringen. Oder gleich ne Kuh. Ideal sind Zwergkühe mit Schwimmhäuten aus der Zoohandlung. Sie schwimmen tapfer hinterher und geben morgens frische Milch für den Kaffee.

Maschinka

Maschinka Magnify
Russische "Maschinka" - mein uralter Benzinkocher, 0.75L/Woche

Missen arzällen Geschichte von kleine Maschinka aus Mitterchen Russland. Kam zu mir vor viele viele Jahre für 5 Deitsche Marki. Tust du Benzin von Petrol-Kombinat oder Tank von Ural-Motorradgespann rein, machst du ein wenig Sibirische Magie und Maschinka danke dir mit heiße Feierchen in Taiga und Schneeszturm.

Kleine Maschinka ist särr launisch, aber wie in gute Ehe geht immer weiter. Wenn nicht gute Laune Maschinka, missen bischen schimpfen "Mistding, kaufe mir einen Gaskocher!" - Maschinka dann immar soforte anspringe.

Machen Tank voll, halten warme Hand an Tank oder etwas Feuerzeug an Tank halte, drehe an Regulator - Maschinka spucke Benzin, das anzünde. Bald spucke Gas welche faucht und qualmt und Flamme nährt. Brennt nun heißer und heißer. Summt bald wie Hornissenschwarm und missen kleiner regulieren, sonst Überdruck abfackeln wie in Raffinerie von Petrol-Kombinat in Archangelsk. Mit viel Gefiel missen regulieren, sonst alles explodiere.

Schärenlandschaft

Navigation

Zur Navigation benötigte ich

Kompassrose

In den Schären lohnt sich ein Kompass. Karten sind unbedingt erforderlich. Ist man zwischen den Inseln unterwegs, sind Durchfahrten oft erst aus nächster Nähe zu entdecken. Mehrere Schären verschmelzen optisch bereits aus einer Entfernung von einem Kilometer zu einer einzigen. Dann sind große Inseln nicht mehr von kleinen zu unterscheiden.

Plane ich eine Strecke, lege ich die nächsten Kurse fest und merke sie mir oder zeichne sie auf der laminierten Karte ein, die ich vor mir unter das Netz klemme. Bei starkem Wind plane ich die Kurse gegen oder mit dem Wind und im Windschatten von Inseln, um die Luvgier des Kajaks zu minimieren.

Alle paar Kilometer orientiere ich mich auf der Karte bis ich sicher bin, wo ich mich befinde. Eine Orientierung in den Schären ist das Hauptfahrwasser der Segler, welches in der Karte eingezeichnet ist.

Mit etwas Übung kann ich den Kurs auch ohne Geodreieck auf 5° genau schätzen. Oben (Norden) ist 0°, die Kompassrose zählt rechtssinnig bis 360°. Liegt das Ziel hinter mehreren Inseln, merke ich mir auch den Generalkurs, also die direkte Luftlinie zum Ziel.

Brücke
Storebæltbrückebrücke - Europas größte Brücke

Unsere Reise - eine kleine Reportage

Wir sind zwei Wochen unterwegs - eine im Gebiet St. Anna und eine im südlicheren Gebiet um Gryt.

Hinfahrt

Karte
Zielgebiet südlich Stockholms

Wir fahren mit unserem Bus, die Kajaks auf dem Dach, am Sonntag den 24.8. um 2:00 morgens los. Nachtfahrt, um den starken Reiseverkehr zu vermeiden, klappt wunderbar - freie Bahn.

Von Kiel und Flensburg geht es über die dänischen Inseln nach Schweden. Für die Strecke benötigt man seit einigen Jahren keine Fähre mehr. Statt dessen passiert man drei Brücken. Die beiden Brücken zwischen Fünen und Seeland (Storebæltbrücke) bzw. Seeland und Schweden (Öresundbrücke) sind der Hammer. Hier seht ihr die Überfahrt über die Storebæltbrücke nach Osten nach Sonnenaufgang. Am Ende der Überfahrt zahlt man mit der Karte die Maut für die Überfahrt.

1. Teil - Schärengebiet St.Anna

Tyrislöt Magnify
Mutterschiff, Einsetzen in Tyrislöt, Schären St.Anna
Erstbeste Shäre Magnify
Biwak auf erstbester Schäre

Gegen 16:00 sind wir in Tyrislöt angekommen und packen die Kajaks. Es geht ostwärts zu den äußeren Schären hinter Kupa Klint. Beim Einsetzen in Tyrislöt spreche ich mit einem Pärchen aus Österreich auf einem Zweierkajak und erfahre so das Wichtigste zu den Naturschutzgebieten, das ich oben beschrieben habe.

Es herrscht warmes Wetter mit blauem Himmel und starkem Wind aus Süden. Der Tag muss heiß gewesen sein. Das raue Wasser glitzert hellgrün. Abenteuergefühl. Bereits gegen 19:00 haben wir eine kleine Schäre erreicht, die mir geeignet erscheint zum Übernachten. In Erwartung von vielen Mücken vor denen man uns gewarnt hat, wähle ich bewusst eine kleine knapp 100m lange Insel, in der Hoffnung, dass sich hier wegen des Windes und mangelnder Brutmöglichkeiten keine Mücken aufhalten.

Nach der anstrengend Reise faulenzen wir den nächsten Tag in der heißen Sonne und gewöhnen uns an das Leben in der Wildnis. Der andere Lebensrythmus muss ersteinmal gefunden werden. Nach einem heißen und windstillen Morgen entwickelt der Tag sich immer windiger bis 4 bis 5 Bft aus Süden.

Überhaupt weht der Wind fast die gesamte Zeit über aus Süden, mit wenigen Windstillen. Gegen Nachmittag wird es stets immer windiger und das legt sich erst am späten Abend.

Auf dieser Schäre gibt es zwar kaum Mücken, aber dafür Schwärme kleiner Fliegen. Ist aber nicht schlimm. Unser Zelt steht exponiert und ich lerne es stets im Schutz gegen die Morgensonne aufzubauen, damit Anton bis 10:00 schlafen kann.

Unterstand Magnify
Notunterkunft bei Unwetter
Freizeit
Freizeit

Weiter geht es am dritten Tag Richtung Norden nach Röda Kuggen. Es ist eine kahle Insel, die eine hohe, rote Klippe hat von der wir einen tollen Blick haben. Wir sehen eine schöne Schäre im Osten, die wir zum Zelten aufsuchen wollen. Der Wind legt zu und es beginnt zu regnen bevor wir das Ziel erreichen. Im Kajak stört der Regen kaum, denn man hat es warm trocken darin.

Regenwasser
Gewinnung von Regenwasser

Nach der Ankunft hat es schon wieder aufgehört zu regnen und es ist Zeit einen Eintopf zu kochen und wir genießen einen Milchkaffee. Doch das rächt sich, denn ein Unwetter zieht auf. Ich baue eilig eine Notunterkunft mit den Plastikplanen. Kaum bin ich fertig, beginn der Gewittersturm. Wir liegen gemütlich, weich und trocken in unserer Notunkerkunft und ich döse ein. Nach einer Stunde wird es wieder schön.

Ich habe einen Alutopf unter unsere Plane gestellt, wo regelmäßig kleine Sturzbäche herabfließen und gewinne 1L Regenwasser, das ich durch mein T-Shirt filtere und zum Kochen von Tee und Kaffee nutze. Auch das T-Shirt ist danach sauberer.

Ziegeninsel Magnify
Ziegeninsel
Camp Magnify
Unser Eigenheim im Abendlicht um 21:00

Die Insel nenne ich die Ziegeninsel, denn überall liegt Dung. Dementsprechend gibt es hier Bremsen. Wir sehen keine Ziegen. Ich nehme an, sie werden zeitweilig hierher gebracht. Oder Schafe oder so. Jedenfalls etwas was klettern kann und ködeln.

Wir bauen das Zelt auf und danach ist Freizeit mit Altstadtbesuch und Ledermodenschau. Nein, das war ein Spaß - wir sind hier in der Wildnis und genießen die Freiheit nach den kleinen Notwendigkeiten des Überlebens wie Unterkunft bauen, Nahrungszubereitung, Hygiene und Ausrüstung klarieren. Einfach in die Sonne fletzen und etwas lesen oder mit dem Fernglas die Vögel der Nachbarschaft beobachten. Manches Mal sehen wir den Seeadler.

Den nächsten Tag vertrödeln wir fast völlig. Die Fahrrinne führt an der Insel vorbei und ich beobachte die Wendemanöver der Segler. Wir lesen und gammeln. Ich springe von einer Klippe und schwimme - Anton ist das Wasser zu kalt. Gegen Abend packt mich der Tatendrang und ich will mir einmal die Inseln der direkten Umgebung ansehen. Anton entschließt sich mitzukommen.

Bestattungsszene Magnify
Bestattungsszene

Mir bringt es am meisten Spaß mich von der Umgebung überraschen zu lassen. Anton entdeckt diese kleine Friedhofsszene. Das Fischlein wurde wohl von einer Welle in die Pflanze getragen und verblich malerisch.

Am 28.7. gegen Mittag verlassen wir die Ziegeninsel und fahren erst 99°, dann 185° zu einem Ziel östlich von Kupa Klint. Als ich das erste Mal in den Schären war, beeindruckte mich der Blick von hier auf die äußeren Schären, daher möchte ich hier eine Bleibe suchen.

Zelt aufbauen vor dem Unwetter
Notunterkunft Magnify
Notunterkunft

Es ist heiß, wir haben bei 4 Bft aus Süden etwas Welle gegen an. Anton fliegt die Mütze weg, meine ist mit einem Bändsel gesichert. Wir finden eine wunderschöne Insel mit runden Felsen und einer Klippe. Nach dem Anlanden machen wir unser Mittag und anschließend lote ich die Wassertiefe unterhalb der Klippe - 4m, das reicht für Köpper aus 5 bis 6m Höhe. Man kann etwa 2m tief durch Wasser sehen, das reicht normalerweise zum Reinspringen. Nach dem Schwimmen döse ich in der Sonne.

Der faule Lenz rächt sich! Ein Gewitter zieht auf und ich baue schnell das Zelt auf. Zu spät! Die Felsplatte ist zu klein und es beginnt bereits zu regnen. Ich packe das Zelt an den Stangen und will es versetzen - da passiert es: Peng, eine Alu-Zeltstange bricht. Anton stopft eilig das Zelt ins Kajak und ich improvisiere eine Unterkunft mit der Plane zwischen zwei Birken.

Notreparatur Magnify
Notreparatur der gebrochenen Zeltstange

In unserer Deckung liegen wir faul und gemütlich mit unseren Nylonsäcken als Kissen und ich döse wieder weg. Nach einer Stunde kommt die Sonne wieder und ich mache mich daran die Zeltstange zu flicken. Ich biege zwei Zeltnägel aus Stahl in einer Felsspalte gerade und binde sie mit Takelgarn als Korsett um die defekte Verbindung - hält.

Schäre Magnify
Gråskär im Abendlicht
Sonnenuntergang Magnify
Sonnenuntergang nach Gewitter
Gewitterwolke Magnify
Gewitterwolke über dem Meer

Am späten Abend kurz vor Sonnenuntergang herrscht ein wunderbares Licht, das die Schären in ein goldenes Licht taucht. Nach Osten steht eine riesige, von Blitzen durchzuckte Gewitterwolke über der See, die wir noch ein Weilchen beobachten.

Obwohl mit Autan bewaffnet, umschwirren uns bald Mückenwolken und freuen sich auf einen leckeren Nachttrunk. Wir machen ihnen einen Strich durch die Rechnung und gehen schlafen. Prinzipiell hilft das Autan, es war aber nur dieses eine Mal überlebensnotwendig.

Im Zelt befestigen wir eine Led-Lampe an der Zeltdecke und lesen. Anton liest "Steppe" von Piers Anthony - eine Geschichte um den Aufstieg der innerasiatischen Steppenvölker bis Dschingis-Kahn. Ich lese eine Doku über das Kaiserreich.

Am 29.7. kehren wir wieder zurück zum Mutterschiff in Tyrislöt. Wir müssen Proviant ergänzen. In Söderköping kaufen wir ein und fahren Richtung Valdemarsvik weiter. Auf einer Nebenstrecke finde ich einen Platz im Wald, wo wir im Bus übernachten. Herrliche Nacht, vollkommen mückenfrei. Die Pritschen im Bus und das Bettzeug erscheinen uns luxuriös im Vergleich zur Zelteinrichtung.

Panorama
180°-Panorama Gråskär-Gewitter

2. Teil - Schärengebiet Gryt

Felsenküsten mit dem Kajak erforschen

Das Schärengebiet Gryt schließt südlich an die St.Anna-Schären an. Es ist dort genauso schön. Ich finde einen freien Parkplatz 1.5 km vom Einsetzpunkt. Hier ist genau wie in Tyrislöt eine Rampe, an die man bequem heranfahren kann. Das Dauerparken ist hier wie dort nicht zulässig, aber das ist gut so, denn so ist Zeit und Platz zum Be- und Entladen.

Rabeninsel Magnify
Rabeninsel von der Südwestseite. Hinter dieser Klippe liegt ein geschütztes Tal.
Bucht Magnify
Bucht im Inneren der Insel
Seenadel Magnify
Es gibt hier Seenadeln, eine Art Seepferdchen

Wir fahren weit raus zu den äußeren Schären, von denen aus man das offene Meer sehen kann. Die Großwetterlage hat sich mit dem Gewitter geändert. Es hat offensichtlich eine Reihe von Tiefdruckgebieten aus dem Westen eingeleitet, die über Mitteleuropa ziehen. Hier oben an der schwedischen Ostküste kommen nur Ausläufer an. Sie bringen mehr Wind und gelegentlich einen Schauer. Zwischendurch brennt die Sonne immer noch heiß, aber wir benutzen häufiger die Fleecejacken. Fleece ist für Wassersport ideal, da es die Feuchtigkeit nicht behält.

Der Wind frischt in der ersten Nacht auf und weht weiterhin aus südlichen Richtungen mit ausreichend Fetch, um etwas Seegang aufzubauen. Die langen Wellen verlieren sich bereits an den äußersten Vogelfelsen. Hier entsteht eine bescheidene Brandung, in der wir uns erproben können.

Abendstimmung Magnify
Nach Sonnenuntergang
Eine Ringelnatter sucht unseren Schlafsack

Anton hat in der vergangenen Woche gute Erfahrung im Kajakfahren gesammelt und paddelt auch in den Meereswellen sicher. Auf einer der letzten bewaldeten Schären finden wir ein Lager, das wir die ganze Woche als Basis nutzen. Die Schäre heißt in der Karte Skräckskär, ich nenne sie die "Rabeninsel". Wir finden einen Platz für das Zelt auf Wiesenuntergrund in dem wir zum ersten Mal die Zeltnägel in den Boden treiben können. Das Zelt ist vor der Morgensonne geschützt und es sind nur wenige Schritte zu den Kajaks.

Die Rabeninsel ist der Hammer. Sie ist ca. 1 x 0.4 km groß und hat viele Landschaftsformen auf engstem Raum. Das Innere ist von hohen Klippen an der Küste geschützt und enthält einen richtigen Urwald. Eine lange Bucht reicht ins Innere der Insel, die von Felsen und Schilf eingefasst ist. Es gibt sogar einen Sumpf und eine Stelle mit Blaubeeren. Es lebt hier eine Rehfamilie deren Bock ich einmal in der Abendsonne auf einem hohen, kahlen Felsen sehe. Scheint die Sonne wird es im Inselinneren dumpfig feucht und heiß wie in einem Dschungel. Es gibt auf ihrem "Hochland" Kiefernwälder, deren krüppelige Bäume ihre Wurzeln in die Felsen krallen. Oftmals vergebens, wenn ein Sturm sie umwirft. Manche wachsen danach einfach weiter. Heiße trockene Heideflächen werden von Libellen abgesucht und hohe rundgeschliffene Klippen gebieten der Brandung auf der Seite der offenen See Einhalt.

Mehrmals unternehme ich allein oder wir zu zweit Wanderungen um die Insel und entdecken viele Tiere. Es gibt hier Ringelnattern, die im Meerwasser Fischlein jagen und Iltisse, die am Ufer entlanghoppeln. Schleicht man sich an eine der vielen tiefen Buchten an, kann man Vögel beobachten, wie den Reiher, Kolkraben, Kormorane oder nicht selten den Seeadler.

Harstena Folk Skola Magnify
Folk Skola - Heimatmuseum
Rückfahrt Magnify
Endlich die Zeichen der Basis
Harstena Magnify
Bootshäuser in Harstena
Anstrengende Rückfahrt Magnify
Anstrengende Rückfahrt, Pause im Windschatten einer Klippe

Es gibt in den Schären die bekannte Siedlung Harstena, die einen Besuchermagnet darstellt. Auch wir verlassen die Wildnis und begeben uns unter die Menschen. Mit dem Wind benötigen wir 1 1/2 Stunden für etwa 8 km. Die Navigation ist durch Funkmasten einfach. In Harstena ist einer und in der Nähe der Rabeninsel auch.

Die Insel ist sehr urig und es gibt ein Heimatmuseum in der ehemaligen Inselschule, das wir besuchen. Die Menschen haben von Fisch- und Vogelfang und der Robbenjagd gelebt. Landwirtschaft hat wohl nur den Eigenbedarf gestützt. Die letzten Bewohner sind in den 80ern weggezogen und die Häuser dienen heute als Ferienhäuser. Wir sehen die Insel im schönsten Sommer. Das Leben muss im Winter hart gewesen sein mit Dunkelheit, Eis, Schnee und Kälte. Der Sommer war dafür wie wir ihn aus "Ferien auf Saltkrokan" kennen.

Die Rückfahrt nach Süden dauert 2 3/4 Stunden ohne Mittagspause mit Suppe, denn der Wind frischt auf und wir müssen den Windschatten einer hohen, kahlen Schäre zum Ausruhen nutzen.

Endlich sehen wir die Zeichen unsere Basisinsel - ein markantes, verwehtes Bäumchen auf der nördlichen Landspitze. Wir machen uns Abendbrot. Eine der Milchtüten ist geplatz. Jetzt wird die Milch knapp. Anton macht eine Bestandsaufnahme und macht einen Verpflegungsplan für die Woche. Wasser und Kalorien haben wir genug. Naschi fehlt. Wir träumen vom Supermarktbesuch.

Felsen Magnify
Vogelfelsen in den Meereswellen
Hinaus zu den äußeren Schären
Magnify Vättern
Der riesige Vätternsee an der E4. Er ist vier mal so groß wie der Bodensee

Um die Rabeninsel herum liegen andere Inseln, die wir besuchen. Es gibt viele Vogelfelsen zur offenen See, teilweise saisonal geschützt. Dort sehen wir oft den Seeadler seine Beute rupfen, während Rabenvögel auf einen Anteil warten. Meistens hören wir über Kilometer hinweg die Brandung der Meereswellen, die an den äußeren Felsen ihre längsten Anteile verlieren. Aufgrund der geringen Wassertiefen rollen diese langen Wellen nicht ins Innere des Schärengebietes.

Besuch auf den Vogelfelsen Magnify
Besuch auf den letzten Vogelfelsen
Rabeninsel Magnify
Südlicher Teil unserer Rabeninsel
Brandung Magnify
Brandung

Wir planen eine Fahrt um die äußeren Schären auf dem offenen Meer. Gegen die höher werdenden Meereswellen gelangen wir zu den Vogelschutzgebieten vor der letzten großen Schäre Håradskär, die eine Radaranlage mit einigen Gebäuden hat. Die Wellen haben bis 1m Höhe und türmen sich vor den Felsen zu einer kleinen Brandung.

Es bringt Spaß mit dem Seekajak durch die Meereswellen zu schneiden. Nordöstlich von Håradskär liegen die Felsen des Vogelschutzgebietes um die beiden flachen Felsinseln L.Flatlogen und St.Flatlogen. Dazwischen liegen einige Untiefen und im Durchlass laufen die Wellen auf. Ich suche in der Passage einen sicheren Kurs und wir fahren mit den Wellen hindurch. Anton folgt mir dicht. Gerade im Augenblick der Passage türmt sich eine Welle unter mir auf. Ich gerate auf ihren brechenden Kamm und reagiere wie folgt

Ich stehe Quer zur Wellenrichtung, sehe nur Weiß und denke "das wars". Aber ich kann mich oben halten. Mein erster Blick gilt Anton hinter mir, nachdem das Monster durch ist. Er sitzt ebenfalls noch im Boot. Er hatte mich bereits aus den Augen verloren. Das war sehr aufregend!

Wir haben genug und paddeln durchnässt zurück. Lange begleitet uns das Donnern der Brandung. Zurück im Basislager hängen wir unsere Sachen auf und machen uns heißen Tee. Es zieht Schichtbewölkung auf, die nichts Gutes verheißt. Nachts regnet und stürmt es. Wir haben es gemütlich und sprechen noch lange über den Ritt in der Brandung.

Am nächsten Morgen dümpelt eines der Kajaks in der Bucht. Obwohl es komplett an Land lag, haben die Wellen es sich geholt. In Zukunft sichere ich das Kajak in solchen Situationen zusätzlich mit dem kleinen Anker.

Noch ein paar Tage Leben in der Wildnis, dann paddeln wir zurück nach Gryt, laden die Kajaks auf Dach und fahren abends nach Hause. Die E4 durchs Innere Südschwedens ist ausgezeichnet zu befahren. Wir übernachten unterwegs im Wald. Wieder keine Mücken, dafür ergänzen Blaubeeren das morgendliche Früchtemüsli. Die Strecke führt am Vätternsee vorbei und wieder über die drei Brücken Dänemarks.

Die Reise war Hammer. Ich grüble bereits mit wem und wohin ich nächstes Jahr paddele. Kinder genug habe ich ja. Reiseziele? Schären vor Stockholm, Åland-Inseln, Göteborger Schären oder Norwegische Fjorde?

Schären